CH24 Wishbone Chair von Carl Hansen Eingetragen 20. Dezember 2020 von Tony Bucheli Y-Chair, Carl Hansen — Chaise Y, Carl Hansen Meine Gefühle waren ja schon etwas zwiespältig, als mir der Kunde zwei Y-Stühle, wie der Wishbone auch genannt wird, ankündigte. Einerseits freute ich mich, dieses moderne Stilmöbel auch einmal in die Finger zu bekommen, andererseits hatte ich Respekt vor der Aufgabe, weil die dabei zu verarbeitende dänische Kordel äusserst verräterisch ist und kleinste Unregelmässigkeiten im Zug sich sofort im Bild des Geflechtes zeigen. Zusammen mit dem aussergewöhnlich grossen Niveauunterschied zwischen den Quer- und den Seitenzargen erweist sich der Y-Stuhl als «Bergpreis» unter den Tessinergeflechten mit Schnur. Entsprechend sorgfältig analysierte ich die Arbeitsweise bei den zu ersetzenden Geflechten, bevor und während ich sie entfernte. Y-Chair, altes und neues Geflecht — Chaise Y, l’ancien et le nouveau paillage. Schon beim Messen stellte ich fest, dass die Wicklung an den Vorderzargen nicht die Gleichheit zwischen den Öffnungen vorne und hinten herstellten, sondern vorne eine Öffnung ergaben, die 2 cm weiter war als hinten. Diese Differenz wurde durch je eine Zusatzwicklung an den Hinterbeinen nicht vollständig ausgeglichen. Weiter stellte ich fest, dass das Geflecht im Uhrzeigersinn erstellt wurde, während ich mich gewohnt bin, im Gegenuhrzeigersinn zu arbeiten. An den Seitenzargen war bei jedem Bein eine Zusatzwicklung angebracht und schliesslich bestand das Geflecht nur aus der Schnur, war also überhaupt nicht gestopft. Ich habe dann nicht alles genau nach Muster gemacht, weil mir die Qualität des Ergebnisses wichtiger war als die originalgetreue Replik und mir meine 40-jährigen Gewohnheiten bei einer so anspruchsvollen Arbeit dienen und nicht im Wege sein sollten. Dessen ungeachtet musste ich für einige Probleme auch neue Lösungen finden, die ich nicht aus dem Muster herauslesen konnte. Ich hatte keine grobe Schnur an Lager und mit Einverständnis des Kunden im Interesse einer kürzeren Lieferfrist mit der 3 mm starken dänischen Schnur gearbeitet. Mit den Wicklungen an der Vorderzarge habe ich den Gleichstand zur Öffnung hinten hergestellt. Zudem habe ich die Wickelschnur so befestigt, dass ein grosser Rest innen als Auflage gebraucht werden konnte und so die Öffnung optisch ein wenig kleiner wurde, indem ich dieses Ende auch umwickelte. Zusatzwickelung an Seitenzarge. – Enroulement supplémentaire sur le cadre latéral. Bei der Seitenzarge habe ich nicht vorne und hinten eine Leerwicklung ganz am Bein gemacht sondern im Flechtprozess hinten bei den ersten beiden Touren je eine Zusatzwicklung nur um die Zarge. Das sieht im Geflecht zwar etwas auffälliger aus (Bild), verkleinert aber das Loch vorne und zudem zieht sich normalerweise bei konischen oder gebauchten Sitzen das Geflecht gerne nach hinten. Bei der ersten Tour bin ich vorne rechts, wo ich den grossen Abstand zwischen den Traversfäden hatte, mit der Schnur bei der Traverse nach hinten innerhalb der Tour um die Ecke durchgefahren und habe sie also miteinander verschlauft. Auf diese Weise hatte ich auch dort von Anfang an einen sauberen Winkel. Ich habe die Leerräume im Geflecht mit Karton gefüllt, ohne zu stopfen, um ihm auch langfristig mehr Halt zu geben. Am wichtigsten aber war, dass ich gemerkt habe, dass meine gewohnte Art, beim Tessinergeflecht die Traversfäden hart zu spannen und die Fäden um die Ecke unter schwächerem Zug darum zu legen, bei diesem Material und diesem Niveauunterschied der Zargen ein Problem ist. Dies vor allem bei den Ecken vorne rechts und hinten links, wo der Traversfaden über die hohe Zarge, mit dem unter der tiefen miteinander kreuzen und durch den Flechtprozess auf einen Punkt zusammengezogen werden müssen. Ich habe also bei der Traversierung schwächer gezogen, dann mit der rechten Hand die sich kreuzenden Traversfäden fast ein wenig übereinander gedrückt und dann mit der Schnur um die Ecke diese Kreuzung richtig hart angezogen. Auf diese Weise arbeitete ich in der Folge nicht nur bei den Ecken mit dem grossen Abstand, sondern rundherum. So haben sich praktisch keine Wellen in den Diagonallinien ergeben und ich konnte die Stühle dem zufriedenen Kunden, auch ein wenig stolz, zurückgeben. Y-Chair – Detail