Der Werthmann-Henkel

Die Geschichte nahm am Korbmarkt 2023 in Lichtenfels ihren Anfang. Ich wollte Stefan Meiners am Stand der Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung begrüssen, aber er war intensiv im Gespräch mit einem älteren Herrn. Ich drehte also nochmal eine Runde durch den Markt, aber als ich zurückkam waren die beiden immer noch in ihr Gespräch vertieft. So ging es mehrere Male und als Stefan dann endlich frei war, erklärte er mir, sein Gesprächspartner sei Herr Werthmann gewesen, ehemaliger Lehrer an der damaligen Korbfachschule, „der mit dem Werthmann-Henkel“. Der Begriff sagte mir gar nichts und darum vereinbarten wir ein Foto-Shooting am Sonntag früh in der Schule.

Eckiger Korb mit Henkel aus gespaltenem Stock. – Corbeille rectangulaire avec anse en bâton fendu

Drei Körbe von Georg Werthmann präsentierte mir Stefan, als ich etwas verkatert vom feuchtfröhlichen Vorabend eintraf. Der Henkel besteht aus einem vorgeformten dicken Weidenstock, der nicht ins Geflecht gesteckt wird, sondern in einem Schalm aussen dem Geflecht entlang läuft. Der Schalm wird unten durch die Kimme am Fuss des Korbes und innen hoch gezogen. Die beiden Teile des Schalmes werden mit zwei oder mehreren Wicklungen aus Stuhlflechtrohr zusammengehalten und fixiert. Beim eckigen Beispiel verwendete Herr Werthmann einen besonders dicken Weidenstock, welchen er halbierte.

Befestigung auf der Innenseite. – fixation à l’intérieur

Ovaler Korb mit Henkel aus ganzem Stock. – Corbeille ovale avec anse en bâton entier.

Ich fotografierte den eckigen und den reich verzierten ovalen mit dem ganzen Stock. Die Körbe gefielen mir sehr und ich wollte das zu Hause unbedingt ausprobieren.

 

Zuerst galt es, einen Korb zu planen, auf den der Henkel passen könnte. Es war klar, das eine bauchige Form wegen dem Anbinden auf der Innenseite nicht in Frage kam, weil man sonst den Schalm auf der ganzen Länge umwickeln müsste, damit er innen nicht in einer Lasche vorsteht. Also wählte ich einen schlichten ovalen Einkaufskorb in konischer Form. Ich baute also eine Lehre für das Formen des Stockes in den entsprechenden Massen. Wie Georg Werthmann hätte ich gerne den Henkel nicht einfach in Form eines Halbkreises gehabt, sondern in der Mitte etwas abgeflacht und schnitt darum die Lehre in diesem Sinn. Ich weichte einen Stock etwa 16 Stunden ein und versuchte, in in die Form zu spannen, aber der äussere Jahrring platzte auf. Also weichte einen neuen über’s Wochenende ein und versuchte am Montag, ihn einzuspannen. Und wieder brach der jüngste Jahrring auf. Da ich nicht sehr viele Stöcke dieser Stärke opfern konnte, passe ich die Lehre nun wohl oder übel auf die Form eines Halbkreises an und legte einen neuen Stock für drei Tage ins Wasser. Mit diesem grösseren Radius klappte das einspannen und ich legte den Stock in der Lehre für ein paar Wochen zur Seite.

Seitenzopf über dem Werthmann-Henkel. – Tresse latérale au-dessus de l’anse Werthmann.

Ich flocht dann den Korb auf das gewünschte Mass, schnitt aber die Staken nach dem Zuschlag nicht ab, weil ich gerne einen Seitenzopf über den Henkel flechten wollte. Darum schnitt ich am Henkel den Schalm nicht in einer kontinuierlichen Verjüngung vom Rand bis zur Spitze, sondern verjüngte ihn gleich am Rand auf die Hälfte des Querschnittes, damit der Seitenzopf einen natürlichen Verlauf nehmen konnte. Die beiden Schalme stellte ich etwa zu 3/4 ins Wasser zum Aufweichen. Darauf zog ich sie in der Mitte der Längsseite durch die Fusskimme bis der Anfang des Schalms richtig am Zuschlag auflag und bog sie auf der Innenseite nach oben. Mit je drei Wicklungen band ich die innere und äussere Hälfte des Schalms zusammen und weichte dann den Korb wieder ein um den Seitenzopf zu flechten. Es ist dann auch gut gelungen, den Zopf über den Henkel zu flechten, doch hat der Henkel sich beim Aufweichen am Ansatz des Schalmes leicht nach innen geknickt, – ein kleiner Schönheitsfehler. Der Henkel bleibt aber trotzdem funktionsfähig.

Als Fazit steht für mich fest, dass der Werthmann-Henkel für mich auf der Traktandenliste bleibt. Aber nicht, weil er besonders effizient in der Herstellung wäre. Im Gegenteil, sie ist sehr aufwändig. Aber als Repertoir – Erweiterung ist er mir sehr willkommen. In seiner gespaltenen Fassung könnte er für Trachtenkörbchen eine Lösung sein, welche das einpassen der Deckel erleichtert.

Eigener Versuch mit Werthmann-Henkel – Essai personnel avec Werthmann-Henkel

 

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