Im Wettbewerb mit unseren Vorfahren Eingetragen 18. April 2010 von Tony Bucheli Wer als Handwerker Wettbewerb erleben will, muss nicht unbedingt an jurierten Ausstellungen teilnehmen, die mit einem Preis verbunden sind, oder sich in den Konkurrenzkampf um die wenigen Stipendien für unseren Bereich stürzen. Ein wenig kompetitive Stimmung kann auch bei der Herstellung einer Kopie eines Objektes aufkommen. Was ist besser/schöner: das Original oder die Kopie? Bei gekreuzten Kinderwagenkörben, denen man auch im schlechtesten Zustand noch ansieht, dass hier die besten Leute wohl über Wochen und Monate nichts anderes machten, strecke ich jeweils in aller Bescheidenheit die Waffen. Wenn ich ein bis zweimal im Jahr so etwas machen kann, habe ich eh keine Chance. Ich will also lernen und versuche, dem Meister so nahe wie möglich zu kommen. Mindestens so nahe, dass der Kunde als Laie keinen Unterschied merkt. Beim vorliegenden Fall, einem sehr leicht gebauten Schaukelstuhl aus Peddigrohr auf einem Buchengestell, erwachte dagegen mein Kampfgeist. Das Ding wies einige Schwächen auf, die ich gerne ausgebügelt hätte. Die Anfrage kam über Internet. Fotos dokumentierten den eher hoffnungslosen Zustand des Objektes. Ob das Gestell noch gesund war, liess sich daran nicht erkennen. Die Kundin brachte das Möbel vorbei. Die absehbaren Kosten und das Budget stimmten in etwa überein und weil es nicht eilte, konnte ich nach und nach in Stimmung für diese Arbeit kommen. Als erstes wurde der Stuhl gründlich fotografiert und vermessen. Dann baute ich eine Lehre für die Arm- und Rücklehne, denn die Hinterbeine hörten unter dem Sitz auf und da ein vorhandenes Polster wieder in den Stuhl passen musste, konnte nicht improvisiert werden. Dann wurde das Geflecht analysiert und auf einer Skizze alle technischen Details eingetragen. Schliesslich wurde es möglichst sorgfältig entfernt, um es bei Unsicherheiten konsultieren zu können. Bis ich das blosse Gestell vor mir hatte waren wohl drei bis vier Stunden vergangen. Die Verbindung zwischen einem Bein und der Kufe hatte sich gelöst und musste mit einem Dübel stabilisiert werden. Den Sitz wollte ich unbedingt stabiler als beim Muster haben. Statt mit 7 mm breitem Peddigband flocht ich ihn mit 3mm Peddigrohr und nahm die Staken paarweise. Der Flechter des Originals hatte, wohl im Wissen, dass der Stuhl ein dickes Kissen erhalten wird, hier auf die Karte Tempo gesetzt. Die Verkleidung des Untergestelles machte ich nach Vorbild. Dagegen war mir die Kreuzung im vorderen Armlehnenbereich ein Dorn im Auge. Durch den Verzicht auf einen Peddig, der beim Rundstab vorne zurückgeknickt wird, entstand eine grosse Lücke ohne Kreuzung, die optisch sehr locker oder gar unstabil wirkte. Ich setzte also eine zusätzliche Peddigstake ein. Die Lehnenpeddige massen 7mm im Gegensatz zur Verkleidung, die mit 5mm Staken Peddig gestäbt und gekreuzt war. Im Gegensatz zu meinem Vorgänger stand mir hier ein Luftdrucknagler mit Heftklammern zur Verfügung. Bei der Vorstellung, die feinen Nägel mit dem Hammer ins auch noch jetzt harte Buchenholz schlagen zu müssen kamen mir Sorgen um mein Seelenheil. Das wäre sicher nicht ohne den einen oder andern Fluch gegangen. Die Kreuzung wurde nur durch zwei Fitzen aus doppeltem 5mm Peddigrohr und den Zopf stabilisiert. Die beiden zusätzlichen Stäbe erschwerten diese Arbeit massiv, da ich nicht einfach nach dem Muster arbeiten konnte. Vor allem der Übergang von der Arm zur Rückenlehne wurde massiv erschwert und ich musste meine Fitzen mehrmals auflösen und neu Ansetzen, bis ich den zweiten Rundstab erreichte. Zum Glück konnte ich mich bezüglich Mass und Form an meiner Lehre orientieren. Ohne sie wäre das nicht zu schaffen gewesen. Trotzdem wiesen die Fitzen meines Gegenübers eindeutig mehr Fluss und Eleganz auf. Für den Rand wurde ein Teil der Stäbe abgeschnitten und die übrigen über der Fitze angeschalmt. Er bestand aus einem zweifädigen Fünferzopf aus 5 mm Peddig, der beim einen Bein begann und immer Versteckt angeheftet wurde. Die 7mm starken Staken wurden nur umgelegt und unter dem Zopf abgeschnitten, ohne sie ins Geflecht zu integrieren. Meine Staken waren eher etwas hart und platzten oft auf. Hier musste hinterher mit Messer und Schleifpapier „geschönt“ werden. Zum Abschluss kam noch ein Dreierzopf, der die Heftklammern am Sitzbügel abdecken musste. Ich musste ihn drei- statt zweifädig machen weil ich beim nageln zu wenig darauf geachtet hatte, die Nägel schön in einer Linie einzuschlagen. Wenn ich nun meine Arbeit mit dem Muster vergleiche, dürfte sie eindeutig stabiler sein. Auch bezüglich Schönheit kann sie es mit dem Vorbild sicher aufnehmen, auch wenn die Fitzen nicht die gleiche Souplesse haben. Ein tüchtiger Akkordarbeiter aus der „guten alten Zeit“ würde aber sicher einen mittleren Lachkrampf bekommen ob der Tatsache, dass ich gut zwei Tage an dem Objekt gesessen bin.