Kopie eines Fauteuils aus Rattan

Das kopieren eines Objektes hat immer etwas von einem Forschungsprojekt, aber im vorliegenden Fall war es besonders spannend. Der Stuhl war so durchgesessen, dass die Augen und der Hintern des Kunden sich bei der Begegnung mit dem Ergebnis meiner Arbeit massiv in die Quere kommen würden. Das hatte ich schon bei Restaurationsarbeiten erfahren: Die Augen sagten: „Wunderbar!“, aber der Hintern fand die schöne Delle nicht mehr, die er ins alte Geflecht gesessen hatte, bis es brach und der Rücken entdeckte die Verschiebungen im Sitzwinkel, welche das neue, straffe Geflecht mit sich brachte.

Ich sah sofort, dass das Gestell des Originales, wenn ich es unverändert kopiere, einen Liegestuhl ohne Kopfstütze ergeben würde. Ich machte den Kunden auf das Problem aufmerksam und bat ihn, sich in die verschiedenen Modelle im Laden zu setzen und mir zu sagen, welches ihm am besten entspreche. Meiner Erwartung entsprechend wählte er den Stuhl mit der stärksten Neigung des Sitzes.

Beim Herstellen der Brennzeichnung hatte ich nun die Aufgabe, das optische Bild des Musters mit dem Sitzgefühl des Kunden in Einklang zu bringen. Der Sitzbügel verlief horizontal, aber das Geflecht hatte eine Delle von 5 cm Tiefe. Ich neigte die Sitzfläche um 3 cm und verpasste dem Sitzprofil den Winkel meines Modells. Dazu richtete ich die Stangen der Rücklehne leicht auf. Weiter erhöhte ich die Armlehnen um 4 cm, denn die mussten für das Gefühl der Kundschaft wohl auch höher gewesen sein. Und damit der Anblick durch diese Veränderung nicht völlig disproportional wirkte, erhöhte ich auch die Rücklehne noch um 2 cm.

Gespannt ging ich an die Ausführung. Da es sich nicht um eine Museumskopie handelte, nahm ich mir die Freiheit, nicht jeden Mangel zu reproduzieren. So erhielt der Stuhl natürlich einen Sitzriegel. Die Stangen für die Beine wählte ich etwas stärker, dafür machte ich die Verdoppelung der Armlehne mit einem starken Korbrohr, das ich bei der Verbindung mit der Rücklehne gleich als Schalm nutzte. Auf diese Weise konnte eine Schwäche dieser Verbindung korrigiert werden. Die Wicklung an den Ecken der Rücklehne wurde etwas edler ausgeführt als beim Muster und auch der Abschluss des Rückengeflechtes wurde nicht bloss mit einem halben Korbrohr befestigt.

Gespannt setzte ich mich nach getaner Arbeit in das neue Möbel und war recht zufrieden. Auch meine Frau fühlte sich wohl darin und so konnte ich getrost dem Kunden anrufen, dass sein Stuhl fertig sei.

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